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„Anon dachte: Seltsam! Diese Geschichte wird immer undurchsichtiger. Und wir sind mittendrin. Wir müssen wieder Klarheit bekommen, sonst haben wir verloren. Er entschuldigte sich und verließ wortlos den Raum.
Anon begab sich auf sein Zimmer. Dort setzte er sich auf das Bett und schloss die Augen. Dann schritt er den geliebten Weg zurück in sein Zuhause. Die Pforten standen für ihn offen, er konnte sich mühelos zwischen den Welten bewegen. Wie wohl es tat, wieder in der goldenen Stadt zu sein! Er fühlte, wie neue Kräfte in ihn zurückkehrten, er lud sich förmlich auf.
Erst jetzt bemerkte er, wie sehr die neue Welt an ihm gezehrt hatte. Fast unmerklich hatte sie ihn müde gemacht, er spürte den Unterschied eben in diesem Moment. Freude kehrte in ihn zurück, und sie tanzte in seinen Adern. Da stand er schon vor dem glänzenden Palast. Im Vergleich zu ihm wirkte der Palast in London wie ein kümmerlicher Versuch, Eindruck zu schinden. Man hatte seine Architektur zwar gut durchdacht, es fehlte ihm aber jegliche Form wahrer Größe und lichten Anmuts. Der Palast seiner verehrten Königin war erhaben und edel, auch aufgrund seiner besonderen Architektur. Vor allem strahlte er eine Schönheit aus, die alles Weltliche übertraf. Diesen Zauber kannten sie nicht, die Erbauer der neuen Welt, und so blieb selbst Gold blass.
,Nicht so sehr vergleichen sollst du, mein geliebter Sohn!‘ Anon hatte den Raum der Königin bereits betreten; sie sprach zu ihm mit ihrem sanften Flüstern: ,Sei willkommen, Anon!‘ Sie lächelte, und Anon spürte Liebe in sich aufflammen. ,Jetzt erblüht sie wieder in dir, die Liebe, die uns alle verbindet. Durchfließt sie dich, so nimmst du Abstand davon. Der Vergleich entstammt der neuen Welt, es ist eine fremdartige Empfindung für dich, nicht wahr?‘ Sie sah Anon liebevoll an.
,Jetzt, da du wieder zurückgekehrt bist, löst sie sich auf. In der Liebe kann der Vergleich nicht bestehen. Die Liebe verbindet, und sie sieht, was wahrhaft ist: Der Unterschied verblasst wie in einem Traum, den wir träumten, so lange Zeit. Und wir erkennen, dass wir nicht getrennt sind, dass wir es niemals waren. Wir glaubten, Schwimmer zu sein, in einem großen Meer, doch sind wir in Wahrheit der unendliche Ozean selbst. Ein Ozean aus Liebe.‘
Ihre Worte strömten wie heiße Wellen in sein Herz. Er war ganz und gar ergriffen von ihnen und verschmolz mit dem, was war: Sein Wesen löste sich auf in diesem Fluss; er tauchte zurück in das Meer der Liebe, das er war. Friede herrschte und vollkommene Stille.
Er tauchte wieder aus dieser ewigen Tiefe auf und hörte ihre klingende Stimme: ,Nathan ist das Bindeglied zwischen euch. Ist er dunkel, oder ist er licht? Wer vermag das zu sagen. Es sind Rätsel, die euch umgeben, und nicht jedes von ihnen muss gelöst werden. Nathan verbindet euch, wie Perlen einer Kette, und das ist euer Glück. Auch wenn es zunächst anders erscheinen mag. Wem kannst du vertrauen in dieser wirren Finsternis? Nur dir selbst, das sagt dir dein Verstand, doch dein Herz spricht eine andere Sprache. Eure Reise wird lediglich dann von Erfolg gekrönt sein, wenn ihr dies seht: Das Ziel könnt nur ihr gemeinsam erreichen, ihr seid ewiglich verbunden in dem einen, das ist.
Begebt euch in dieses Bewusstsein, löst eure Begrenzungen auf! Ihr existiert nicht nebeneinander, nein, ihr seid wahrhaft verwoben in dem Urmeer, das flammende Liebe ist. Nun geh, und trage dies in deinem Herzen: Ihr bewegt euch in schützenden Hüllen, wenn ihr euch tief verbindet. Löst eure Grenzen auf, und verschwimmt mit eurer wahren Essenz! Dann werdet ihr es hören, das zärtliche Raunen der Urtiefe. Es wird euch leiten, und in Momenten größter Not werdet ihr es kristallklar verstehen. Gebt euch dieser Stimme hin, vertraut ihr ganz! Denn sie entspringt dem tiefsten Quell dessen, was wir alle sind.‘
Sie hob ihre Arme zum Segen: ,Ich bin zutiefst mit dir verbunden, Anon, mein Sohn. Fürchte dich nicht, wenn die Dunkelheit so mächtig wird und du mich nicht mehr hören kannst! Wisse, dass ich immer bei dir bin und dich nie verlassen werde. Sei eingehüllt in meine Liebe, und trage sie sicher in deinem Herzen!‘
Widerwillig fühlte Anon, wie er wieder in seine Person zurückgespült wurde. Nachdenklich verließ er die goldene Stadt. Noch niemals zuvor hatte er solche Gefühle gehegt. Sie waren neu für ihn. Tief auf seinen inneren Grund fiel fast lautlos der Samen des Zweifels.
Anon öffnete seine Augen. Er fand sich in seinem Zimmer in Somerset wieder. Benommen sah er sich um. Er seufzte, dann sprang er von dem kirschholzfarbenem Bett. Neuer Mut und Tatenkraft waren in ihn zurückgekehrt, und er wollte damit zu seinen Freunden gehen.
Als er das Kaminzimmer betrat, herrschte wieder Aufregung.“